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Sektion III Verpasste Gelegenheiten, gescheiterte Anläufe: Versuche zum Frieden während des Krieges

 

 

 

Sektion III

Verpasste Gelegenheiten, gescheiterte Anläufe:

Versuche zum Frieden während des Krieges

Dr. Volker Arnke, Universität Osnabrück

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar: Verhandlungen und Verträge zwischen Frieden und Krieg 1619–1642

Der Westfälische Frieden (1648) war kein spontanes Ereignis. Nicht nur waren ihm ein etwa fünfjähriger Kongress (1643–1648) in Osnabrück und Münster sowie ein Präliminarfrieden (1641) in Hamburg vorausgegangen, sondern es wurden seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges stetig Friedensinitiativen angestrengt. Die im Vortragstitel genannten Orte stellen nur einige Beispiele für Kongresse, Verträge oder Initiativen dar. De facto wurde fast ununterbrochen über mögliche Friedensschlüsse verhandelt. Diese Prozesse wirkten auf die späteren Friedensverhandlungen ein und nahmen mitunter – insbesondere in Form des Prager Friedens von 1635 – wesentliche Inhalte des Westfälischen Friedens vorweg.

Bislang haben die früheren Friedensversuche deutlich weniger Aufmerksamkeit gefunden als der Westfälische Friedenskongress und als der militärische Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. Auch der überwiegende Teil der im laufenden Gedenkjahr erschienenen Überblicksdarstellungen nimmt vornehmlich die klassische Perspektive auf die militärischen und politischen Vorgänge des Kriegsverlaufs ein. Eine Ausnahme ist die Abhandlung Johannes Burkhardts (Der Krieg der Kriege, 2018), der ähnlich wie schon Siegrid Westphal (Der Westfälische Frieden, 2015) versucht, den Fokus um diejenigen Friedensbemühungen, die seit Kriegsbeginn unternommen wurden, zu erweitern. Zu nennen ist ebenfalls Jenny Öhman (Der Kampf um den Frieden, 2005), die die Friedensbemühungen zwischen dem Kaiser und Schweden untersucht.

Diese Ausnahmen deuten an, welch spannende Erkenntnisse die Untersuchung der Friedensinitiativen des Dreißigjährigen Krieges zu zentralen Fragen der Historischen Friedens- und Konfliktforschung erwarten lassen: Warum scheitern Friedensverhandlungen und damit verbunden: Warum setzen sich Kriege trotz einmal sichtbar gemachter Friedensbereitschaft fort? Daneben und mit Blick auf 1618–1648: Kann die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges auch als eine Aneinanderreihung verpasster Friedensgelegenheiten interpretiert werden?

Vor diesem Hintergrund betrachtet der Vortrag die Wechselwirkungen zwischen Kriegsverlauf und Friedensinitiativen und nimmt dabei die Bedeutung einzelner Akteure, politischer Interessenlagen und Strukturen in den Blick. So lässt sich etwa für den Beginn des Krieges der Tod Kaiser Matthias‘ (1619) als ausschlaggebend für das Scheitern der Friedensinitiative von Eger ausmachen, die möglicherweise den Krieg im Keim erstickt hätte. Zur Mitte des Krieges ist es das kaiserliche Restitutionsedikt (1629), dass auf die Struktur der Reichsverfassung einwirken sollte und auf diese Weise zahlreiche Reichsstände gegen den Kaiser aufbrachte. Es verhinderte damit, dass der zuvor mit Dänemark geschlossene Lübecker Friede (1629) eine gänzliche Befriedung des Konflikts zur Folge hatte. Die weitgehende Aussöhnung mit den Reichsständen gelang zwar im Prager Frieden (1635). Auf Grund der zunehmenden europäischen Dimension des Krieges – vor allem wegen der Verflechtungen mit dem Großkonflikt der Häuser Bourbon und Habsburg um die Vorherrschaft in Europa – brachte allerdings auch dieser Vertrag keine dauerhafte Lösung. Für die zweite Kriegshälfte lässt sich schließlich etwa der führende schwedische Politiker Axel Oxenstierna als ein personeller Faktor der Kriegsfortsetzung ausmachen. Er gilt als eine Triebfeder des französisch-schwedischen Subsidienvertrags (seit 1631), der wiederum als ein wesentliches strukturelles Friedenshindernis der zweiten Kriegshälfte interpretiert werden kann, da er der kaiserlichen Strategie, einen Separatfrieden mit Schweden abzuschließen, diametral entgegengesetzt war.

Prof. Dr. Holger Afflerbach, University of Leeds

Eine Internationale der Kriegsverlängerer? Friedensversuche während des Ersten Weltkriegs und ihr Scheitern

Der Erste Weltkrieg kostete jeden einzelnen Tag im Schnitt über 9.000 Menschen das Leben, verbrauchte ungeheuer viel Geld und zerstörte gewaltige Sachwerte. Obwohl die Bevölkerungen sehr lange hinter ihren Regierungen standen und glaubten, einen legitimen Verteidigungskrieg führen zu müssen, entstand ein ungeheurer Druck auf die politisch und militärisch Verantwortlichen, den Krieg entweder rasch zu gewinnen oder aber einen anderen Ausweg aus dem Konflikt zu finden, etwa einen Verständigungsfrieden anzustreben, sollte der Sieg unmöglich sein, zu große Opfer kosten oder zu lange dauern.

Historisch wirksam wurde der Versuch, den Krieg militärisch zu gewinnen – am Ende siegte die Entente. Doch während des viereinhalbjährigen Krieges gab es viele Momente, in denen die Regierungskabinette, die verantwortlichen Minister, oppositionelle Politiker und Diplomaten, aber auch die militärischen Führer die Aussichten des Krieges diskutierten und manche zu der Ansicht gelangten, dass es kein politisches Ziel geben kann, das eine unbegrenzte Fortsetzung des Kampfes lohnt.

Zwischen den beiden aufeinanderprallenden Gruppen – denen, die den Siegfrieden befürworteten, und jenen, die einen Kompromiss erwogen - gab es eine Wechselwirkung, die Philipp Scheidemann im Januar 1917 im Reichstag, im Zusammenhang mit der Erklärung des unbeschränkten U-Bootkrieges, als „Internationale der Kriegsverschärfung und der Kriegsverlängerung, deren Glieder einander in die Hände arbeiten“, bezeichnete.

Damit meinte Scheidemann, dass sich die Anhänger der Befürworter des Siegfriedens auf beiden Seiten in der innerstaatlichen Auseinandersetzung um Sieg oder Verständigung maßgeblich dadurch behaupten konnten, dass sie immer wieder auf die schlechten Absichten der Gegenseite verweisen konnten.

Das Problem war allerdings sehr viel komplexer. Der Krieg hatte von Anfang an horrende Verluste gekostet und schon 1914 waren Hunderttausende gefallen. Diese gewaltigen Opfer, dieser Verlust an Glück und Wohlstand ganzer Gesellschaften verlangte nach einer politischen Rechtfertigung, die ein Status-Quo-Frieden als einzig realistische Kompromisslösung des militärisch unentschiedenen Krieges nicht erbringen konnte. Die staatlichen Eliten aller kriegführenden Staaten glaubten, dass nur ein Sieg den Preis erbringen kann, der den Krieg rechtfertige. Nach einem solchen Krieg mit leeren Händen nach Hause zurückzukehren, galt als politische Bankrotterklärung, die nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Aus diesem Grund war auch die Frontlinie zwischen den Befürwortern des Siegfriedens und den Anhängern einer Verständigungslösung grundsätzlich fließend und von der Kriegslage abhängig. War die militärische Lage vielversprechend, dann befürworteten auch jene, die in kritischen Momenten Anhänger einer Verständigung waren, machtpolitische Zugewinne. Das beste Beispiel dafür ist die deutsche Politik und der Friede von Brest Litowsk 1918.

Dieser war kein Ruhmesblatt für die Mittelmächte und auch nicht für die Reichstagsmehrheit, die 1917 einen Verständigungsfrieden gefordert hatte. Allerdings saßen die wichtigsten Protagonisten einer Kriegsverlängerung nicht in Berlin und Wien, und auch nicht in St. Petersburg, sondern in Rom, Paris und London. Diese Feststellung läuft der allgemeinen Auffassung zuwider, dass das Deutsche Reich unter der praktisch diktatorischen Führung vor allem der Dritten Obersten Heeresleitung (OHL) weitreichende Annexionen angestrebt habe. Für die OHL traf dies zwar zu, nicht aber für das politische Deutschland.

Die Mittelmächte machten drei offizielle Friedensangebote, das erste im Dezember 1916, zwei weitere im Juli und im Dezember 1917. Die Entente beschied alle drei Angebote abschlägig. Daneben wurde es eine größere Zahl informeller Friedensfühlern ausgestreckt, die bereits wenige Monate nach Kriegsausbruch begannen und sich über den gesamten Krieg hinweg fortsetzten. Schon im Herbst 1914 versuchten die Mittelmächte, Russland zu einem Separatfrieden zu bewegen. Diese Versuche waren sämtlich erfolglos und scheiterten an der Entente, deren Eliten trotz auch hier vorhandener Zweifel am Siegfriedenskonzept festhielten. Die Entente testete den Friedenswillen der Mittelmächte nicht ein einziges Mal durch ein eigenes Friedensangebot. Der Grund hierfür bestand in der Annahme, den Krieg letztlich gewinnen zu können; dies machte es den Kompromissbefürwortern, die es auch in London gab – Lord Lansdowne war der prominenteste Vertreter –, unmöglich, sich mit ihren Vorstellungen durchzusetzen.

Allerdings war der Sieg eine Chimäre – für beide Seiten. Er brachte keine Lösung der Probleme, von denen viele durch den Krieg überhaupt erst hervorgerufen wurden. Die Kollateralschäden des Sieges – der für Europa vielleicht entscheidendste war, dass Russland aus dem politischen System Europa herausgebrochen war - machten ein Funktionieren der Friedensordnung nach 1918 praktisch unmöglich. Der Preis dieses Scheiterns war der Zweite Weltkrieg.

 

Dr. Thorsten Gromes, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt am Main (HSFK)

Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo: Gescheiterte Versuche der Kriegsbeendigung

In Kroatien (1991-1992/1995), Bosnien-Herzegowina (1992-1995) und im Kosovo (1998-1999) kam es zu den drei großen Kriegen beim Zerfall Jugoslawiens. Sie kosteten rund 140.000 Menschen das Leben. Der Vortrag widmet sich den gescheiterten Versuchen, diese drei Kriege vorzeitig zu beenden. Als Analyserahmen dienen rationalistische Theorien von Krieg und Frieden, die besonders in der Politikwissenschaft auf großes Interesse stoßen. Sie deuten den Ausbruch und die Fortsetzung von Kriegen als Folge misslingender Aushandlungsprozesse zwischen den Beteiligten. Demnach wägen die Konfliktparteien Kosten und Nutzen des Krieges gegen die einer ausgehandelten Regelung ab und wählen die Option, der sie eine bessere Kosten-Nutzen-Bilanz zuweisen.

Wie das Geschehen in Bosnien-Herzegowina vom Frühling 1992 bis zum Sommer 1995 zeigt, haben Friedenspläne schlechte Chancen auf Annahme und Umsetzung, wenn sie zu stark vom gegebenen oder für die absehbare Zukunft erwarteten militärischen Kräfteverhältnis abweichen. Der Fall macht des Weiteren deutlich, wie eine komplexe Konfliktkonstellation mit mehr als nur zwei Seiten eine Regelung erschwert. Als auf massive Luftangriffe der NATO rasch der Friedensschluss von Dayton folgte, gab das der Ansicht Auftrieb, man habe ein Mittel gefunden, um die Kalküle von Konfliktparteien effektiv Richtung Frieden zu schieben.

Im Kosovo wollte die NATO kein „zweites Bosnien-Herzegowina“ zulassen und wurde dann davon überrascht, dass ihre Drohung mit Luftangriffen und dann die Luftangriffe selbst keinen raschen Erfolg brachten und stattdessen mit einer deutlichen Zunahme von Übergriffen und Vertreibungen einhergingen. Der Fall illustriert auch eine ungewollte Nebenfolge sogenannter humanitärer militärischer Interventionen: Eine Konfliktpartei rechnet mit einem Eingreifen zu ihren Gunsten und zeigt sich daher weniger kompromissbereit, was Versuche der Kriegsbeendigung behindert.

Das Konfliktgeschehen in Kroatien war eng mit dem in Bosnien-Herzegowina verknüpft. Das vorläufige Ende der Kämpfe in Kroatien Anfang 1992 läutete die Eskalation in Bosnien-Herzegowina ein. Die militärischen Triumphe der kroatischen Regierung im Mai und August 1995 trugen wiederum dazu bei, die Situation in Bosnien-Herzegowina in Bewegung zu bringen. Der Vortrag rückt mit Blick auf den Krieg in Kroatien die Ereignisse von Januar bis Juli 1995 ins Zentrum. Die ausgerufene Republika Srpska Krajina weigerte sich lange, über einen internationalen Friedensplan zu verhandeln, und steuerte so auf einen Wiederausbruch des Krieges zu, in dem sie unterging. Während mit dem Geschehen in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo nützliche Einsichten rationalistischer Ansätze herausgearbeitet werden sollen, zeigt die Analyse zu Kroatien 1995 die Grenzen dieser Theorien auf.